Schweizer Kunstmaler Peintre suisse Artista svizzero
Leben und Werk
Vie et Oeuvre
Vita e opere
1. Phase
1945 1948 1950
2. Phase
1952 1953 1956
3. Phase
1960 1961 1968
„Während viele der bedeutendsten religiösen Kunstwerke der Gegenwart von Malern stammen, die nur ein loses Verhältnis zur Kirche unterhalten, sind die Glasgemälde, Altarbilder und Mosaiken Kaufmanns unter ähnlichen Bedingungen entstanden wie die Kirchenfenster und –fresken des Mittelalters: Hier wie dort wurden die Themen jeweils bis in Einzelheiten von einer liturgischen Kommission oder den auftraggebenden Ordensgeistlichen festgelegt; in den meisten Fällen überwachten Kleriker auch alle Phasen der Ausführung, so etwa, als Kaufmann 1956 für die Kirche S. Nicolao della Flue in Lugano auf 76 Einzelscheiben Darstellungen aus dem Alten und dem Neuen Testament zu komponieren hatte, die sich sämtliche auf das Leben und die Taten des hl. Nikolaus von der Flüe beziehen, oder als er 1956-57 für die Jesuitenkirche Sacro Cuore in Gallarate bei Varese 32 Fenster und ein Altargemälde schuf sowie in der Krypta sechs Pfeiler mit Mosaiken der Zwölf Apostel verkleidete. Bemerkenswert ist, dass die Patres von Gallarate eine abstrakte Gestaltung des Themas «Versprechungen des Heiligen Herzens» bevorzugten; auch bei dem bisher grössten Auftrag für Glasmalerei, den drei parabelförmigen Glaswänden von 30x33 Meter für die Kathedrale Holy Trinity zu New Norcia in Australien, stimmten die Auftraggeber einer weitgehend ungegenständlichen Lösung zu: die riesigen Glasflächen für diesen Bau Pier Luigi Nervis, von denen je eine Gottvater, Gottsohn und den Hl. Geist zum Thema hat, zeigen ausser Sinnzeichen wie Auge, Fisch oder Taube die liturgischen Farben Blau, Gelb und Rot in allen Abstufungen.
Willy Kaufmann ist Autodidakt. Er begann mit 22 Jahren zu malen und schuf in zehn Jahren eine grosse Zahl von Ölbildern, deren Thematik um die Vereinsamung des modernen Menschen kreiste, die er durch Überlängerung der Figuren, durch Konfrontierung des Einzelnen mit der Gruppe oder durch die Isolierung der menschlichen Gestalt in melancholischen, fast horizontlosen Landschaften ausdrückte. Schon im Frühwerk spielte die Darstellung des Gekreuzigten, die später zum Hauptmotiv des Kirchenmalers Kaufmann werden sollte, eine beherrschende Rolle.
Während der fünf Jahre von 1952 bis 1957 malte er ausschliesslich ungegenständlich. 1955 machte Kaufmann seinen ersten Versuch auf dem Gebiet der Glasmalerei; schon ein Jahr später ging er aus dem Wettbewerb des Istituto Internazionale di Arte Liturgica in Rom, an dem sich Künstler aus 16 Ländern beteiligt hatten, als Sieger hervor und erhielt den Auftrag für die 76 Glasfenster der Kirche S. Nicolao della Flue in Lugano. Seither ist die Glasmalerei sein wichtigstes Arbeitsgebiet. Doch befasste er sich auch weiterhin mit dem Tafelbild; hier kehrte er nach der ungegenständlichen Zwischenphase wieder zu den Themen seiner Anfänge zurück. Bei den Glasbildern macht sich Kaufmann die Erfahrungen seiner abstrakten Periode in hohem Masse zunutze. Sein Augenmerk gilt vor allem den technischen Problemen und Möglichkeiten dieser Kunstgattung. Dabei spielt das Experiment eine noch grössere Rolle als das Studium mittelalterlicher Vorbilder. So lernte Kaufmann die Relation zwischen Flächen- und Helligkeitswerten erkennen und sich nutzbar machen. Vor allem aber beschäftigt er sich mit den Gegebenheiten der Architektur, beispielsweise mit den Lichtverhältnissen des jeweiligen Standortes; fast alle seine Glasbilderzyklen wurden für Neubauten geschaffen. Kaufmanns religiöse Darstellungen auf Glasgemälden und Tafelbildern gebrauchen eine persönliche, dem Zeitgefühl verpflichtete Symbolsprache, die aber auch von Laien ohne weiteres verstanden wird.“
(Text von Manuel Gasser, DU Heft Nr. 256, Juni 1962, S. 550 f.)