Schweizer Kunstmaler                   Peintre suisse                  Artista svizzero

Willy Kaufmann Maler

                       Leben und Werk

                        Vie et Oeuvre

                        Vita e opere


I Biographie

Willy Kaufmann Maler
Selbstportrait 1945

 Willy Kaufmann wurde am 11. Juli 1920 als zweites von vier Geschwistern in einer kleinbürgerlichen Familie in Zürich geboren. Er starb am 15. Juni 1978 in seinem Atelierhaus in Rümikon im Kanton Aargau an einem Krebsleiden. Schon als jungem Mann war ihm klar, dass er Kunstmaler werden wollte. Obwohl er von seiner Familie keine Förderung erfuhr und er den ungeliebten väterlichen Beruf des Friseurs erlernen musste, arbeitete er, sobald es die Umstände erlaubten, auf das Ziel hin, Künstler zu werden. Von Grund auf Autodidakt fiel er früh mit seinen Arbeiten auf und erhielt in den Jahren 1951 bis 1953 das Eidgenössische Kunststipendium und 1954 das Stipendium der Kiefer-Hablitzel-Stiftung, Unterstützungen, welche ihm 1952 einen halbjährigen Studienaufenthalt in Paris ermöglichten. Er lebte in Zürich und hielt sich und seine Familie lange Jahre mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser, während er unbeirrt an seiner künstlerischen Entwicklung arbeitete. Der Erfolg blieb nicht aus, ab Mitte der Fünfzigerjahre erhielt er vermehrt kleinere und grössere Aufträge der öffentlichen Hand. Den eigentlichen Durchbruch brachte die Teilnahme an einem international ausgeschriebenen Wettbewerb für die Gestaltung von Glasfenstern in der Kirche des Hl. Niklaus von der Flüe in Lugano, bei dem ihm der erste Preis und die Ausführung der Glasfenster zugesprochen wurde. Dieser Auftrag begründete seinen Ruf als bedeutender Glasmaler. Die Glasfenster in Lugano strahlten aus in die angrenzende Lombardei und verschafften ihm weitere grosse Aufträge, so in Como, Gallarate und Mailand. Mit dem künstlerischen Erfolg verband sich auch ein wirtschaftlicher, die öffentlichen Aufträge und das wachsende Interesse privater Sammler erlaubten ihm anfang der Sechzigerjahre in Rümikon über dem Rhein ein Atelierhaus zu bauen. Während er anfänglich zwischen den Ateliers in Zürich-Oerlikon und Rümikon pendelte, wurde dieser Platz in der stillen Rheinlandschaft in seinen letzten Lebensjahren zu seinem bevorzugten Arbeits- und Rückzugsort, hier verbrachte er die letzten Monate und Tage vor seinem Tod. Obwohl Willy Kaufmann mit Vorliebe zuhause arbeitete (eine Ausnahme bildeten jeweils monatelange Aufenthalte in Mailand zur Fertigung der grossflächigen Glasmalereien in der dafür spezialisierten Firma Fontana Arte), boten ihm Reisen oder Aufenthalte im Ausland willkommene Anregungen, die ihren Niederschlag in Ölgemälden und graphischen Blättern fanden. So weilte er in den Sechzigerjahren mehrere Male länger in der Toscana und in Ligurien, unternahm 1968 eine Reise in die USA und nach Mexiko, besuchte 1971 Senegal und 1974 Spanien.


Willy Kaufmann Maler
Selbstportrait 1975

II Künstlerischer Werdegang

 

Im Schaffen Willy Kaufmanns lassen sich mehr oder weniger klar drei Phasen erkennen. 

 

Die erste Phase 

von 1945 bis etwa 1952 beinhaltet deutlich die Suche nach dem handwerklichen und formalen Ausdruck. 

 

Die zweite Phase 

verfestigt den formalen Ausdruck und treibt ihn durch die Suche nach dem formal und inhaltlich Absoluten in die Abstraktion. Sie dauert von 1952 bis 1956

 

Die dritte Phase

ab 1957 setzt ein mit der Rückkehr zum Figurativen, bereichert durch die Erfahrungen der zweiten Phase und der ab 1954 einsetzenden Beschäftigung mit der Glasmalerei. Bis zum Lebensende entwickelt und verfeinert sich der malerisch Ausdruck von anfänglich immer noch stark mit Schwarz konturierten Formen zu flächigen und fast flüssig ineinander laufenden lichten Farbbändern, in welche die figurativen Elemente wie schwebend eingebettet sind. Durch das ganze Werk von Willy Kaufmann zieht sich als beständiges Thema die geistige Auseinandersetzung mit der menschlichen Existenz, deren monumental, symbolhaft und expressiv inszenierte Darstellung den Betrachter seiner Bilder immer wieder aufs Neue herausfordert.

 

1. Phase


             1945                                                                 1948                                                 1950

2. Phase

          1952                                                                      1953                                                                    1956

3. Phase

                  1960                                                   1961                                             1968


III Glasmalerei

 

 

„Während viele der bedeutendsten religiösen Kunstwerke der Gegenwart von Malern stammen, die nur ein loses Verhältnis zur Kirche unterhalten, sind die Glasgemälde, Altarbilder und Mosaiken Kaufmanns unter ähnlichen Bedingungen entstanden wie die Kirchenfenster und –fresken des Mittelalters: Hier wie dort wurden die Themen jeweils bis in Einzelheiten von einer liturgischen Kommission oder den auftraggebenden Ordensgeistlichen festgelegt; in den meisten Fällen überwachten Kleriker auch alle Phasen der Ausführung, so etwa, als Kaufmann 1956 für die Kirche S. Nicolao della Flue in Lugano auf 76 Einzelscheiben Darstellungen aus dem Alten und dem Neuen Testament zu komponieren hatte, die sich sämtliche auf das Leben und die Taten des hl. Nikolaus von der Flüe beziehen, oder als er 1956-57 für die Jesuitenkirche Sacro Cuore in Gallarate bei Varese 32 Fenster und ein Altargemälde schuf sowie in der Krypta sechs Pfeiler mit Mosaiken der Zwölf Apostel verkleidete. Bemerkenswert ist, dass die Patres von Gallarate eine abstrakte Gestaltung des Themas «Versprechungen des Heiligen Herzens» bevorzugten; auch bei dem bisher grössten Auftrag für Glasmalerei, den drei parabelförmigen Glaswänden von 30x33 Meter für die Kathedrale Holy Trinity zu New Norcia in Australien, stimmten die Auftraggeber einer weitgehend ungegenständlichen Lösung zu: die riesigen Glasflächen für diesen Bau Pier Luigi Nervis, von denen je eine Gottvater, Gottsohn und den Hl. Geist zum Thema hat, zeigen ausser Sinnzeichen wie Auge, Fisch oder Taube die liturgischen Farben Blau, Gelb und Rot in allen Abstufungen.

 

Willy Kaufmann ist Autodidakt. Er begann mit 22 Jahren zu malen und schuf in zehn Jahren eine grosse Zahl von Ölbildern, deren Thematik um die Vereinsamung des modernen Menschen kreiste, die er durch Überlängerung der Figuren, durch Konfrontierung des Einzelnen mit der Gruppe oder durch die Isolierung der menschlichen Gestalt in melancholischen, fast horizontlosen Landschaften ausdrückte. Schon im Frühwerk spielte die Darstellung des Gekreuzigten, die später zum Hauptmotiv des Kirchenmalers Kaufmann werden sollte, eine beherrschende Rolle.

 

Während der fünf Jahre von 1952 bis 1957 malte er ausschliesslich ungegenständlich. 1955 machte Kaufmann seinen ersten Versuch auf dem Gebiet der Glasmalerei; schon ein Jahr später ging er aus dem Wettbewerb des Istituto Internazionale di Arte Liturgica in Rom, an dem sich Künstler aus 16 Ländern beteiligt hatten, als Sieger hervor und erhielt den Auftrag für die 76 Glasfenster der Kirche S. Nicolao della Flue in Lugano. Seither ist die Glasmalerei sein wichtigstes Arbeitsgebiet. Doch befasste er sich auch weiterhin mit dem Tafelbild; hier kehrte er nach der ungegenständlichen Zwischenphase wieder zu den Themen seiner Anfänge zurück. Bei den Glasbildern macht sich Kaufmann die Erfahrungen seiner abstrakten Periode in hohem Masse zunutze. Sein Augenmerk gilt vor allem den technischen Problemen und Möglichkeiten dieser Kunstgattung. Dabei spielt das Experiment eine noch grössere Rolle als das Studium mittelalterlicher Vorbilder. So lernte Kaufmann die Relation zwischen Flächen- und Helligkeitswerten erkennen und sich nutzbar machen. Vor allem aber beschäftigt er sich mit den Gegebenheiten der Architektur, beispielsweise mit den Lichtverhältnissen des jeweiligen Standortes; fast alle seine Glasbilderzyklen wurden für Neubauten geschaffen. Kaufmanns religiöse Darstellungen auf Glasgemälden und Tafelbildern gebrauchen eine persönliche, dem Zeitgefühl verpflichtete Symbolsprache, die aber auch von Laien ohne weiteres verstanden wird.“ 

 

(Text von Manuel Gasser, DU Heft Nr. 256, Juni 1962, S. 550 f.)

Glasfenster in der Kirche Saint Boniface in Genf


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